Proseminar SoSe 2001: Ethischer Relativismus
Handout 6: Zu Cook, Kap. 2 (S. 13-23) Was ist Kulturrelativismus? Gemäß dem
Kulturrelativismus ist jedes Moralprinzip nur innerhalb einer bestimmten Kultur
gültig. Es gibt keine Moralprinzipien, die ohne Bezugnahme auf eine bestimmte
Kultur gültig sind. In diesem Sinn sind Moralprinzipien kulturrelativ. Wenn
Moralprinzipien nur innerhalb einer bestimmten Kultur gültig sind, ist es
sinnlos, ein Moralprinzip ohne Angabe der Kultur, in der es gültig ist, zu
formulieren. Daher muß jedes Moralprinzip eine relativierende Angabe
enthalten, aus der hervorgeht, in welcher Kultur das Prinzip gültig ist,
z. B.: "Das Steinigen von Ehebrecherinnen ist
moralisch falsch in der westlichen Kultur." Läßt man die
Angabe "in der westlichen Kultur" weg und formuliert nur: "Das Steinigen von Ehebrecherinnen ist
moralisch falsch", ist das Prinzip
(nach relativistischer Ansicht) sinnlos. In dieser
Hinsicht ähneln Moralprinzipien bestimmten Verkehrsregeln. Das Rechts- oder
Linksfahrgebot z. B. gilt nur relativ zur Gesetzgebung eines bestimmten
Landes. Die Aussage "Es ist falsch, auf der linken Straßenseite zu fahren", ist
sinnlos. Ohne die relativierende Angabe, in welchem Land es falsch ist, auf der
linken Straßneseite zu fahren, ist die Aussage weder wahr noch falsch. Wenn jemand
(ohne implizit auf ein bestimmes Land Bezug zu nehmen) einfach sagt, daß es
falsch ist, auf der linken Straßenseite zu fahren, weiß man nicht, was man von
dieser Aussage halten soll. Der
Kulturrelativismus hat nichts zu tun mit der Frage, in wievielen Kulturen ein
Moralprinzip gültig ist und ob es Moralprinzipien gibt, die in allen (uns
bekannten) Kulturen gültig sind. Selbst wenn es Moralprinzipien gibt, die in
allen Kulturen gültig sind, würden Relativistinnen und Relativisten an
folgenden Behauptungen festhalten: (i) Diese Moralprinzipien sind nur in den
gegenwärtig existierenden Kulturen gültig. Es könnte sein, daß sie in (einigen)
später existierenden Kulturen nicht mehr gültig sind. (ii) Es wäre sinnlos zu denken, daß eine später
existierende Kultur, die andere als die gegenwärtig in allen Kulturen
akzeptierten Moralprinzipien für gültig hält, eine minderwertige Moral hätte. Die
Unabhängigkeit des Kulturrelativismus von der Frage, in wievielen Kulturen ein
Moralprinzip gültig ist, macht folgendes klar: 1. Der Kulturrelativismus läßt sich nicht
widerlegen, indem man Moralprinzipien findet, die in allen Kulturen gültig
sind. 2. Die für die Begründung des Kulturrelativismus
entscheidende Behauptung ist nicht, daß verschiedene Kulturen unterschiedliche
Moralprinzipien akzeptieren, sondern daß Moralprinzipien durch Enkulturation
erworben werden (und nicht durch ein rationales Verfahren, mit dem objektive
moralische Tatsachen entdeckt werden). (Dadurch wir natürlich auch klar, daß der
Kulturelativismus nicht, wie oft dargestellt,[1]
so begründet wird, daß man allein von der kulturabhängigen Verschiedenheit
der Moralprinzipien auf deren Relativität schließt.) Enkulturation: enculturation is the
process by which an individual acquires the mental representations (beliefs,
knowledge, and so forth) and patterns of behavior required to function as a
member of a culture. It can be seen as the counterpart, at the level of
culture, of the process of socialization.
Enculturation is largely seen, for native members of a culture, as taking place
in childhood as part of the process of child training and education. Initiation
rites and other forms of training later in life can also be seen to have an
enculturating function. M. R. (Michael
Rhum (1997): Enculturation, in The Dictionary of Anthropology, hrsg. von Thomas Barfield, Oxford, S.
149f.) |